Laborabzüge sind für ein sicheres Arbeiten in vielen Industriezweigen unabdingbar. Zuerst möchten wir klären, was ein Laborabzug überhaupt ist und wofür er eingesetzt wird. Dazu werden wir Ihnen anhand von 8 leider häufig vorkommenden Praxisbeispielen erläutern, wie Sie mit einem Laborabzug besser nicht umgehen.
Was ist eigentlich ein Laborabzug?
Oftmals auch als Digestorium oder bei unseren Schweizer Nachbarn als Kapelle bezeichnet geht es hierbei um einen Arbeitsplatz für gefährliche Chemikalien. Dieser besteht aus einer chemisch und hitzebeständigen Arbeitsplatte, die von drei festen Wänden umschlossen wird. An der Front ist ein in der Vertikalen beweglicher Schieber, der zum größten Teil aus Glas besteht und bei manchen Konstruktionen auch bewegliche Seitenschieber besitzt.
Die Hauptfunktion des Abzuges ist der Schutz der bedienenden Person sowie aller sich im Labor befindlichen Personen vor den Gefahrstoffen, die in dem Abzug gelagert werden. Insbesondere sollen Gase, Aerosole und Partikel nicht in das Labor kommen. Dazu wird der Abzug mit einer geeigneten Lüftungsanlage verbunden, die eine durch den Hersteller vorgegebene Menge an Außenluft durch den Abzug saugt.
Sind Laborabzüge auch sicher?
Nach Planung, (Ein-)bau und Inbetriebnahme erfolgt immer öfter eine Inbetriebnahme-Prüfung. Meist ergibt es sich dabei, dass in den realen Laboren eine etwas höhere Luftmenge ebenfalls zu guten Rückhaltewerten führt. Überraschungen gibt es dennoch immer und es wird auf den Blogeintrag „Laborabzug – wie Sie teuren Ärger vermeiden“ von Dr.-Ing. Rolf Sieber verwiesen.
Ist ein Abzug auch in Zukunft sicher?
Nach der erfolgreichen Vor-Ort-Prüfung sollte man davon ausgehen können, dass der Laborabzug auch unter den örtlichen Gegebenheiten sicher funktioniert.
Häufig jedoch kommen Nutzer nach geraumer Zeit und beschweren sich über Gerüche o.ä., die aus den Abzügen kommen. Ebenso kann eine Vor-Ort-Prüfung vor und nach Einzug der Nutzer zwei völlig verschiedene Ergebnisse bringen. Als Grund ergibt sich häufig eine falsche Nutzung der Laborabzüge an unsachgemäßen Umbauten oder Unwissenheit.
Während einer unserer On-Site-Messkampagnen wurden meine Kollegen und ich schon oft von den Labornutzern um Hilfe gebeten, da der Geruch in den Laboren nicht sonderlich angenehm war. Hier habe ich ein paar Beispiele aufgezeigt, die für eine vergrößerte Leckage der Abzugshaube sorgen können.
Diese Beispiele sollten weder kopiert noch nachgemacht werden oder als Basis für neue Designs dienen, auch wenn keine Patente auf diese tollen Ideen vergeben wurden. Allerdings geben diese Beispiele Hinweise darauf, wie die Arbeit von Sicherheitsleuten, Ingenieuren oder dem Hersteller zerstört wird, wenn man einfach nur die Abzugsmenge der Luft verstärkt, statt sich ernsthaft um das Problem/die Probleme zu kümmern.
Beispiel 1: Eine getestete Abzugshaube, die auf Kundenwunsch vom Hersteller modifiziert wurde
Abzug mit zusätzlicher Seitenöffnung.
Um eine bessere Ausbreitung der Schadstoffe zu erreichen, schaffe man neue Öffnungen. Messungen mit dem Tracergas zeigten, dass manche Abzüge mit einer zusätzlichen Öffnung an der Seite, trotz geschlossener Frontscheibe, sehr undicht sind. Nach aktuellem Standard (EN 14 175) dürfen „Abzugshauben“ mit einer solchen Modifizierung schon gar nicht mehr als Abzug bezeichnet werden.
Beispiel 2: Eine gut funktionierender Abzug vom Verbraucher modifiziert
Begehbarer Abzug der als Tisch-Abzug mit Stauraum benutzt wird.
Bei dieser begehbaren Abzugshaube hat der Benutzer eine Tischplatte eingebaut. Prüfgasmessungen, bei denen das Gas über Ejektor auf der Tischplatte aufgegeben wurde, zeigten vernünftige Ergebnisse. Platzierte man den Ejektor jedoch auf dem Boden (wo die Flaschen mit verwendeten Lösungsmitteln offen stehen), dann sah man ziemlich große Ausbrüche des Testgases. Zusatz: Der Einbau der Tischplatte sorgte dafür, dass sich die Abzugshaube garantiert nicht mehr schließen ließ.
Beispiel 3: Behinderung der Luft
Beim Anblick des linken Abzugs (mit all dem ganzen wissenschaftlich aussehenden Equipment) scheint dieser die schlechter funktionierende zu sein. Jedoch gab es bei den Rückhalte-Messungen keine Probleme mit diesem Abzug.
Betrachtet man jedoch den rechten Abzug mit den großen Kisten, die Teil eines Ozon-Erzeugungssystems sind, und die sich darüber befindende Platte mit einem kleinen Versuchsaufbau, sieht man, dass der komplette Fluss innerhalb der Haube blockiert wird. So können die Turbulenzen der Strömungen das sich darin befindende Ozon in den Raum pumpen, anstatt es einfach einzusaugen.
Dies kann auch in Kombination mit der Modifizierung (des Abzugs) vom Hersteller bzgl. den Vorstellung des Kunden geschehen. Hier ein völlig verbauter Abzug mit einem Seitenfenster, um die Daten in das Display eingeben zu können.
Beispiel 4: Die Benutzung eines Abzugs ohne Luft
Dieser Abzug, der im Keller einer Universität stand, beinhaltet nicht nur Flaschen und kaputte Quecksilberthermometer, sondern lief auch ohne Abluft, da der Abzug nicht mehr in Benutzung war. Es gibt keinen besseren Weg, um Energie zu sparen!
Aber auch noch funktionierende Abzüge können so aufgefüllt werden, sodass sie nicht mehr funktionieren können.
Um das Verdünnen der Gase durch benachbarten Abzug zu verhindern, wurde der Spalt zwischen beiden mit porösem Schaum gedämmt.
Beispiel 5: Die falsche Benutzung eines Abzuges
Diese brandneue Standardabzugshaube wurde für die Oxidierung von organischen Proben benutzt. Die Mindesttemperatur des Sandbades beträgt 350°C. Wegen der hohen Konvektion des Sandbades und den extremen Ablagerungen an Ruß, wurde der vorher weiße Abzug schon nach vier Wochen Benutzung gelb verfärbt. Darüber hinaus kann er die konvektionsgetriebene Strömung nicht im Inneren halten und hat ebenfalls mit der Umgestaltung der Farbe der Zimmerdecke begonnen. Oder man stellt einen Ofen in einen begehbaren Abzug: Dies erlaubt die Benutzung eines Abzuges bei garantiert nie geschlossenem Fenster.
Rechts der begehbare Abzug für die spezielle Nutzung angepaßt.
Beispiel 6: Die Benutzung eines Haartrockners
Ein sehr gewöhnliches Instrument, um die Strömung des Luftflusses zu stören, ist die Verwendung eines Heißluftgebläses. Diese Methode wird schon in der offiziellen Prozessbeschreibung für Chromatographiepapier verwendet und funktioniert hervorragend, da die Kombination aus warmer Luft und hohen Geschwindigkeiten den besten Ausbruch von Dämpfen garantiert und das benutzte Lösungsmittel sich im ganzen Raum verteilen kann.
Genauso kann die Plazierung von blasenden Geräten neben dem Abzug ebenfalls katastrophale Endergebnisse mit sich bringen. Das Bild (s. unten) zeigt eine ganz klare von außen stammende Störung:
Ausgeblasene Luft eines großen Gerätes (schwarze Platte) direkt vor einem Abzug.
Eine etwas verdeckte Möglichkeit wäre eine Strömung unter dem Tisch. In diesem Fall wurde eine starke Vakuumpumpe mit einem zusätzlichen Lüfter unter einem Tisch genau neben dem Abzug platziert. Da die Luft gar keine Chance hat, aus der Ecke zu flüchten, muss diese direkt an vor dem Abzug vorbeifließen und nimmt die Verunreinigungen aus der Abzugshaube mit.
Vakuumpumpe bläst kühlende Luft unter den Tisch.
Beispiel 7: Falscher Deckeneinlass
Ein anderer, sehr bekannter Trick für die Schadstoffausbreitung ist es, hohe Zuggeschwindigkeiten vor den Öffnungen eines Abzuges zu erzeugen. Wie man aus der Literatur weiß, können aber auch niedrige Luftgeschwindigkeiten mit wesentlich kälterer Luft als die Raumtemperatur zu außergewöhnlichen Schadstoffausbrüchen führen.
Alternativ zum Deckenauslaß kann aber eine Öffnung in der Zwischendecke über dem Abzug herhalten: Wegen dem Unterdruck im Labor strömt die Luft von außen durch die Öffnungen vor der Scheibe nach und erzeugt dadurch viel höhere Geschwindigkeiten als die Eintrittsgeschwindigkeiten der Luft in der Fensteröffnung.
Nachströmende Luft aus der Zwischendecke.
Beispiel Nr. 8: Mit dem Kopf im Abzug
Um an eine volle Prise von gesundheitsschädlichen Stoffen zu gelangen, genügt es meist den Frontschieber ganz zu öffnen und den Kopf hineinzustecken.
Aber der einfachste Weg, um eine hohe Verschmutzung zu erhalten, ist es, einen Abzug tatsächlich als begehbare Abzugshaube zu verwenden. Außerdem garantiert dies direkten Kontakt zu Chemikalien und die Sicherheit wird auf ein Minimum reduziert.
Ein richtig begehbarer Abzug.
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